Aurelia Meinhart
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2025: Meine Gedan­ken — ein Funkenflug

Aurelia Mein­hartDas Bern­stein­zim­mer“ 2025

Text: Wenzel Mraček, April 2025-04-29.

Der sym­bo­li­sche Tausch und das Verschwinden

Schon früh befass­te sich die Grazer Künst­le­rin Aurelia Mein­hart mit der Geschich­te respek­ti­ve dem Mythos um den vom preu­ßi­schen König Fried­rich I. bis schließ­lich 1712 im Ber­li­ner Hohen­zol­lern-Schloss ein­ge­rich­te­ten Prunk­raum, der hin­sicht­lich des domi­nie­ren­den Mate­ri­als „Bern­stein­zim­mer“ genannt wurde. 

Dem 1944 ver­schwun­de­nen – bis dahin, viel­mehr aber seither –, weithin bekann­ten Kunst­werk näherte sich die Künst­le­rin mit einer Instal­la­ti­on aus bern­stein­far­bi­gen, semi­trans­pa­ren­ten Panee­len aus Epoxid­harz, die 1999 in einer Aus­stel­lung des Grazer Künst­ler­hau­ses dessen Gra­fik­raum ver­schlos­sen. Aus dem unzu­gäng­li­chen Innen­raum ver­brei­te­ten Kris­tall­lus­ter Licht, das durch die Paneele schien und damit bei Besu­chern Erin­ne­rung und Wissen um das Desi­de­rat des his­to­ri­schen Motivs zu evo­zie­ren vermochte.

Binnen zweier Jahr­hun­der­te wurde das Bern­stein­zim­mer an immer andere Orte über­tra­gen: zunächst von Berlin nach St. Peters­burg, von dort in den Katha­ri­nen­pa­last in Pusch­kin. Wie­der­um von der deut­schen Wehr­macht erbeu­tet, wurde es im Königs­ber­ger Schloss ein­ge­baut. Dort wurde es 1944 von der Roten Armee aus­ge­la­gert und ist seither ver­schol­len. Schon auf­grund dieser mys­te­riö­sen Wei­ter­ga­ben bezeich­ne­te der Phi­lo­soph Erwin Fiala in der Begleit­schrift zu Mein­harts Instal­la­ti­on von 1999 das his­to­ri­sche Bern­stein­zim­mer als „Arkanum“, nach dem ver­mut­lich bestän­di­gen Geheim­nis um das Kunst­werk und seinen Verbleib.

In einer aktu­el­len Modi­fi­ka­ti­on nimmt Aurelia Mein­hart das Thema aber­mals auf. Die Paneele von 1999 wurden in kleine Platten geschnit­ten und diese bilden nun die Ver­klei­dung einer Nach­bil­dung des im 2. Welt­krieg von der deut­schen Wehr­macht ein­ge­setz­ten Panzers Tiger. Die Künst­le­rin gestal­te­te ihr Objekt unge­fähr im Maßstab 1:10 und nach den Pro­por­tio­nen des Gol­de­nen Schnitts. Der Titel „Das Bern­stein­zim­mer“ evo­ziert wie­der­um das his­to­ri­sche und ver­schol­le­ne Kunst­werk und ver­weist zugleich auf Mein­harts Instal­la­ti­on von 1999. Mit dem „Panzer“ werden aber auch gegen­wär­ti­ge Bezüge zu bila­te­ra­len Kon­flik­ten wie vor­ma­li­gen Koope­ra­tio­nen aufgezeigt. 

Der erste Tausch des Bern­stein­zim­mers gegen Kriegs­mit­tel erfolg­te bereits 1716 zwi­schen dem preu­ßi­schen König Fried­rich Wilhelm I. („Sol­da­ten­kai­ser“) und Zar Peter I. Gegen das Bern­stein­zim­mer erhielt der König groß gewach­se­ne rus­si­sche Sol­da­ten für seine Leibgarde.

Ein Nachbau des his­to­ri­schen Bern­stein­zim­mers wurde 1979 durch die deut­sche Ruhrgas AG mit­fi­nan­ziert, die Rekon­struk­ti­on, wieder im Katha­ri­nen­pa­last, 2010 fertiggestellt.

Die Geschich­te des Bern­stein­zim­mers war durch­wegs mit krie­ge­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen ver­bun­den, die Mein­hart mit der Alle­go­rie eines Pan­zer­mo­dells in ihrem Konzept auf­nimmt. Glei­cher­ma­ßen ist damit eine Para­phra­sie­rung der Rolle von Kunst­wer­ken im Zusam­men­hang mit Kriegen gegeben. Im Sinn des Medi­en­theo­re­ti­kers Jean Bau­dril­lard wäre das nach Mate­ri­al und Bau auf die Geschich­te des Bern­stein­zim­mers ver­wei­sen­de Objekt in Form eines Panzers ein „Simu­lak­rum“, ein Bezeich­nen­des, das gegen ein nicht mehr exis­ten­tes Bezeich­ne­tes gewis­ser­ma­ßen getauscht wurde. 

Wenzel Mraček, geboren 1962 in Kla­gen­furt, Kunst­his­to­ri­ker, Publi­zist, Lehr­be­auf­trag­ter, lebt in Graz.

Aus dem Krieg kommen wenige.

Aus dem Krieg kommen wenige. Die einen, die im Krieg geblie­ben sind, sind gefal­len, die anderen sind dazu ver­dammt, immer daran zu denken, darüber zu spre­chen, darüber zu träumen. Manche, die im Krieg geblie­ben sind und über­lebt haben, schwei­gen darüber. Sie schwei­gen über sich, im Kriegs­ge­sche­hen sind sie sich und den anderen für immer ver­bor­gen geblieben.

Viele von denen, die den Krieg über­lebt haben, beschrei­ben den Krieg als die letzte Zeit in ihrem Leben, in der sie noch am Leben waren. Es ist nicht leicht zu leben, und das meiste von einem ist schon tot.

Manche hängen am Leben, weil sie die Hoff­nung nicht auf­ge­ge­ben haben, ihr eigenes Leben würde aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft zurück­keh­ren. Sie glauben an Wunder. Wir wissen alle, wie oft Wunder passieren.

Die Kriegs­brie­fe an die Frauen und Mütter sind tapfere Briefe. Die Kriegs­be­richt­erstat­tung des Herzens ist anders als alles, was wir sonst kennen. Die Hoff­nungs­lo­sen trösten, die Ängst­li­chen ermu­ti­gen, die Ver­wun­de­ten ver­arz­ten. Da zeigt sich: Es steht uns nur eine Mög­lich­keit offen, nämlich die, in der Hin­wen­dung heil zu werden.

Lebens­ge­fahr und Todes­angst sind Lebens­ge­fähr­ten, die man nicht mehr los wird. Man kann sie nicht abschüt­teln. Man kann sie über­tün­chen. Aber nach dem nächs­ten Regen ist alles abge­wa­schen, und man sieht sie wieder, glas­klar und bedroh­lich. Man kann sie über­tün­chen mit Alkohol, Arbeit, Ideo­lo­gien, Ver­brü­de­run­gen. Nichts hilft, was helfen sollte.

Schließ­lich ist die innere Starre nicht zu über­se­hen. Ein Leben zu leben mit einem leben­di­gen Körper und mit einer Psyche, die toten­starr ist, das zer­reißt einen fast. Da genügt nicht viel und man holt nach, was man im Krieg ver­mei­den konnte.

Die anderen ver­ste­hen nichts, die Ein­sam­keit ist uner­träg­lich. Nur bei den Kame­ra­den gibt es ein stilles Ein­ver­ständ­nis, das Bewusst­sein des gemein­sa­men Geheim­nis­ses. Die Toten­fei­er des eigenen Lebens ist der Rest des Lebens, der noch geblie­ben ist, eine Ver­hei­ßung des Vergangenen.

Aus dem Krieg kommen nur wenige.

Michael Lehofer

Montage von 400 Sei­den­tü­chern und Fotos aus diesem Projekt

Aus­gangs­punkt für meine Über­le­gun­gen waren die Foto­ar­bei­ten meines Vaters, die er im Krieg gemacht hatte. Sein Weg führte ihn in den Norden. Er war im 2. Welt­krieg als Gebirgs­jä­ger in der 3. Gebirgs-Divi­si­on in Nor­we­gen, Finn­land und im Raum Lenin­grad ein­ge­setzt, wobei er mit seiner Klein­bild­ka­me­ra Ein­drü­cke fest­hielt. Schon als kleines Mädchen haben mich diese Fotos unge­mein fas­zi­niert. Für mich stellte sich immer die Frage, was seine Moti­va­ti­on war, mitten im Kriegs­ge­sche­hen zu foto­gra­fie­ren. Als junger Soldat wollte er ver­mut­lich diese Stim­mun­gen des Nordens, das Licht, seinen Lieben zu Hause zeigen.

Montage of 400 silk scarves and photos from this project

The start­ing point for my reflec­tions was my father’s pho­to­gra­phic work, which he had taken during the war. His journey took him to the north. He was deploy­ed as a moun­tain inf­an­try­man in the 3rd Moun­tain Divi­si­on in Norway, Finland and the Lenin­grad region during the Second World War, cap­tu­ring impres­si­ons with his 35mm camera. Even as a little girl, these photos fasci­na­ted me immense­ly. I always won­de­red what moti­va­ted him to take pho­to­graphs in the midst of the war. As a young soldier, he pro­ba­b­ly wanted to show his loved ones at home these moods of the north, the light.